Eine attraktive Ausstrahlung ohne schöne Zähne gibt es nicht. Schließlich gilt das Gebiss als Spiegel unserer Vitalität. Umgekehrt bedroht eine häufige Erkrankung des Mundraums den ganzen Körper: die Parodontitis.
Was ist Schönheit? Die Antwort scheint kompliziert, ist aber einfach: Als schön gilt, was gesund ist und Lebenskraft signalisiert. Volle Haare, reine Haut, ein symmetrischer Körperbau, starke Zähne – noch vor kulturellen Vorlieben sind es Merkmale wie diese, an denen sich der Schönheitsbegriff festmacht. Besonders im Fokus steht ein makelloses Gebiss. Denn das Kraftsymbol ist nicht nur ein Geschenk der Natur, sondern gibt auch Auskunft darüber, wie gewissenhaft ein Mensch mit sich umgeht.
Es ist darum kein Wunder, dass die ästhetische Zahnmedizin längst zum Standardrepertoire vieler Praxen gehört. Gegen matte oder dunkle Zähne ziehen Ärzte mit Bleaching zu Felde – sanfte Methoden der Aufhellung, die schon nach kurzer Zeit für strahlende Resultate sorgen. Oder Veneers: Die hauchdünnen und lichtdurchlässigen Keramikschalen verwandeln schiefe, verfärbte oder angegriffene Zähne in ein anmutiges Gebiss. Doch erst im Zusammenspiel mit einem festen, blassrosa gefärbten Zahnfleisch können Zähne wirklich gesund sein und auch so aussehen. »Rote Ästhetik« heißt das Schlagwort, das weit mehr bezeichnet als nur ein oberflächliches Spiel mit der Schönheit. Denn ein kraftstrotzendes, rundum gesundes Zahnfleisch ist der beste Schutz gegen die häufigste Ursache von Zahnausfall: Parodontitis.
Die Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnbetts, die den Zahnhalteapparat Stück für Stück abbaut. Hervorgerufen wird sie durch Keime und Bakterien, die sich im Zahnbelag oder in den verkalkten Ablagerungen am Zahnfleischrand, dem Zahnstein, befinden. Besonders verheerend sind deren Wirkungen jedoch als Kalksedimente in der Zahnfleischtasche. Dort sondern sie Giftstoffe ab und verursachen Entzündungen.
Zahnfleischbluten und Rötungen, Schwellungen und Mundgeruch sind die ersten Anzeichen. In diesem Stadium spricht man von einer Gingivitis, die sich unbehandelt zu einer Parodontitis entwickeln kann: Zahnfleisch und Knochen gehen zurück, die Zahnhälse verlängern sich, die Zähne werden locker. Ohne Therapie ist dann ein Verlust der Zähne kaum zu vermeiden. Studien haben gezeigt, dass jenseits des 40. Lebensjahrs mehr Zähne durch Parodontitis verloren gehen als durch Karies.
Zahnausfall ist jedoch nicht die einzige Folge dieser Infektionskrankheit, die im Lauf des Lebens fast jeden einmal befällt. Die Bakterien in den Zahnfleischtaschen können in die Blutbahn gelangen und in hohem Maß Kalkablagerungen an den Gefäßwänden fördern. Die mögliche Konsequenz: Gefäße verschließen sich und lösen Schlaganfälle oder Herzinfarkte aus. Verlaufsstudien bezeugen, dass Parodontitispatienten ein knapp doppelt so hohes Risiko für eine Verengung der Herzkranzgefäße besitzen.
Für den Ausbruch einer Parodontitis ist oft mehr verantwortlich als nur mangelnde Mundhygiene. Raucher etwa sind eine eminente Risikogruppe – sie leiden drei- bis sechsmal häufiger an Parodontitis als Nichtraucher. Dabei ist unter anderem problematisch, dass das charakteristische Bluten bei ihnen lange ausbleibt und die Zahnfleischentzündung erst spät entdeckt wird. Weitere Ursachen sind unter anderem Stress, hormonelle Veränderungen, Vitaminmangel oder bestimmte Allgemeinerkrankungen wie Diabetes mellitus.
Die Parodontologie ist eine zahnmedizinische Disziplin, die sich rasant entwickelt hat. Im Zentrum der Therapie steht jedoch nach wie vor die konventionelle Wurzelglättung, die durch den Einsatz von Lasern abgerundet werden kann – das Laserlicht lässt kleinste Bakterienreste einfach verdampfen. Führt eine solche Tiefenreinigung bei besonders aggressiven Formen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis, kann sie durch spezielle Antibiotika unterstützt werden. Welche Stoffe dabei jeweils zum Einsatz kommen, wird durch molekularbiologische Methoden ermittelt: DNS-Sonden entnehmen Keimproben aus den erkrankten Zahnfleischtaschen, auf deren Grundlage das optimale Antibiotikum gefunden werden kann.
Moderne Parodontalbehandlungen setzen auf ultraschallbetriebene Instrumente und schonen so das Gewebe. Doch bei sehr tiefen Zahnfleischtaschen oder schnell wiederkehrenden Entzündungen lassen sich chirurgische Eingriffe nicht vermeiden. Unter Einsatz von Membranen, Knochenersatzmaterialien und wachstumsfördernden Medikamenten werden Kieferknochen und Gewebe wieder aufgebaut – mit ausgezeichneten funktionalen wie ästhetischen Ergebnissen.
Aber so weit muss es nicht kommen. Regelmäßige Kontrolle, professionelle Zahnreinigung und eine systematische Mundhygiene sind die Eckpfeiler einer Prophylaxe, mit der man der Parodontitis aus dem Weg gehen kann. Dabei sollte neben dem Zähneputzen auf eine gute Zahnzwischenraumpflege mit Zahnseide geachtet werden. Im Rahmen der Termine beim Zahnarzt und der Zahnreinigung alle sechs Monate lassen sich Putznischen säubern und Fehler bei der Mundhygiene korrigieren. In Zeiten von erhöhtem Risiko – etwa bei starkem Stress oder einer Schwangerschaft – ist es sinnvoll, die Prophylaxeintervalle zu verkürzen, damit so früh wie möglich auf Probleme reagiert werden kann. Denn nur so präsentiert die Volkskrankheit Parodontitis ihren einzigen Vorzug – ihre Vermeidbarkeit.