Ich habe Brustkrebs – trotzdem geht´s mir gut

Jede achte Frau erkrankt an Brustkrebs. Die besten Chancen auf Heilung bestehen, wenn der Tumor früh erkannt und behandelt wird – und die Betroffenen direkt an gute Ärzte geraten. Lebensart gibt Orientierungshilfe

von Dr. Markus Weber

Plötzlich letzten Sommer: Der August 2010 hat sich im Gedächtnis von Karin Mohr (Name von der Redaktion geändert) festgebrannt wie ein Film. Die 50-jährige Leiterin einer Marketingagentur in Lindenthal erfüllte sich damals den Traum, nach Schanghai zu reisen. Mit Jetlag, aber glücklich rekelte sie sich nach dem langen Flug auf dem Hotelbett. Gedankenverloren betastete sie ihren Busen – und erstarrte:

In der rechten Brust spürte sie einen Knoten.

»Ich war alarmiert, meine Großmutter erkrankte als junge Frau an Brustkrebs«, sagt Karin Mohr. »Deswegen hatte ich bei mir immer ein Auge drauf und mich auch von meiner Frauenärztin regelmäßig untersuchen lassen.« Beim letzten Check war nichts Verdächtiges zu bemerken gewesen. Seitdem war, wie sich herausstellen sollte, ein schon zwei Zentimeter messender Tumor gewachsen, der sich weder durch Schmerzen noch durch Entzündungszeichen zu erkennen gegeben hatte. »Ich kann nur raten, lieber zehnmal zu oft als einmal zu wenig zu tasten, mindestens alle vier Wochen«, zieht Frau Mohr heute den Schluss.

Die sieben Tage in China waren begeisternd, doch die Sorge, womöglich krebskrank zu sein, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Zurück in Deutschland, begab sie sich gleich zu ihrer Frauenärztin, die keine Sekunde zögerte: Wegen des Verdachts auf Mammakarzinom drängte die Gynäkologin auf einen Termin bei einem Kollegen, spezialisiert auf die Früherkennung von Brusttumoren. Das war ganz in Karin Mohrs Sinn, die sich für eine Ultraschalluntersuchung mit digitaler, dreidimensionaler Bildgebung entschied. In der Praxis, die sie aufsuchte, haperte es an modernem Inventar nicht und der Arzt nahm die Untersuchung sehr genau. Je länger sie allerdings dauerte, desto unsicherer wurde er in seinem Befund: Aus dem anfänglichen »Dass die Gewebeanalyse zeigt, ob der Tumor gut- oder bösartig ist, ist nichts« war nach 45 Minuten ein »Ich kann nicht sagen, was das ist« geworden. Karin Mohr war fassungslos, fühlte sich keinen Schritt weiter. Der Arzt verwies sie daraufhin an eine Klinik mit eigenständigem Brustzentrum, also auf die Früherkennung und Therapie des Mammakarzinoms spezialisierter Abteilung mit Zertifikat. In Köln gibt es vier solcher Brustzentren –am Krankenhaus Holweide (Prof. Dr. med. Mathias Warm), am St. Elisabeth-Krankenhaus Hohenlind (Dr. med. Claudia Schumacher), an der Uniklinik (Dr. med. Wolfram Malter) und am Krankenhaus der Augustinnerinnen (Prof. Dr. med. Jan C. Schmolling).

Domäne der hier tätigen Gynäkologen sind sämtliche Erkrankungen der Brust, weshalb sie auch als Senologen bezeichnet werden (das lateinische Wort »senum« bedeutet »Busen«). Die Empfehlung ans Brustzentrum erwies sich als Volltreffer – nach nicht einmal fünf Minuten stand mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit fest, dass die Geschwulst in der Brust bösartig war. »Ich hätte am besten sofort ein Brustzentrum aufgesucht, denn hier ist Hightech mit Können und Erfahrung der Ärzte gepaart«, sagt Karin Mohr. »Meine Umwege haben die richtige Diagnose und den Beginn der Behandlung unnötigerweise verschleppt.«

Karin Mohrs Diagnostik komplett machten nach dem Ultraschall (Sonografie) die Untersuchung mit Kernspin (Magnetresonanztomografie) und eine Gewebeentnahme aus dem Tumor (Biopsie) bei örtlicher Betäubung. Die Gewebsanalyse unter dem Mikroskop gibt letzte Gewissheit darüber, ob ein Tumor gut- oder bösartig ist. Krebszellen lassen sich jetzt auch darauf untersuchen, ob sie Antennen für Wachstumssignale aufweisen, die sie von Hormonen und Botenstoffen empfangen. Ist das der Fall, bedient die Therapie sich Gegenspielern, z.B. Antiöstrogenen oder Antikörpern, die verhindern, dass die Krebszellen sich weiter vermehren.

Während Zellen sich teilen, sind sie besonders empfindlich. Das gilt besonders für die eigentlich so robusten Krebszellen. Die Patienten werden deshalb mit Substanzen behandelt, die für Tumorzellen Gift sind, ihnen den Garaus machen sollen, wofür sich die Bezeichnung »Chemotherapie« eingebürgert hat. Bekanntlich gehen dabei auch gesunde Zellen zugrunde, die sich öfter mal teilen – der Grund für zahlreiche Nebenwirkungen wie Haarausfall, schlechtere Wundheilung und Austrocknen der Schleimhäute. Karin Mohr wollte von der Chemo deshalb nichts wissen, bis sie erfuhr, dass Sport und begleitende Medikamente, insbesondere aus der Naturheilkunde, die unliebsamen Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren können (siehe Interview mit Professor Beuth). »Durch die Zusatzbehandlung habe ich die Chemo relativ gut weggesteckt und bin im Nachhinein froh, mich auf sie eingelassen und dem behandelnden Senologen vertraut zu haben.«

Die Chemotherapie soll in erster Linie verhindern, dass sich Tochtergeschwülste, die sogenannten Metastasen, bilden. Diese entstehen aus Zellen, die sich vom Tumor in der Brust gelöst und auf Wanderschaft begeben haben. Zuerst gelangen sie in die Lymphknoten in der Achselhöhle, dann mit dem Lymph- und Blutstrom in lebenswichtige Organe wie Lunge, Leber und Gehirn. Sind die Lymphknoten bereits befallen, wird meist sofort operiert und die Chemotherapie parallel eingeleitet. Die chirurgische Entfernung einer ausgeprägten Geschwulst kann dann den Verlust der Brust bedeuten; es besteht aber die Möglichkeit des Wiederaufbaus mit körpereigenem Gewebe, also ohne Implantat. Karin Mohr hatte Glück: In ihrem Wächterlymphknoten fanden sich keine Krebszellen. Sie bekam daraufhin erst mal nur Chemotherapie; diese ließ den Tumor in fünf Monaten auf die Hälfte schrumpfen, sodass brusterhaltend operiert werden konnte.

»Dass ich meine Brüste noch habe, verdanke ich meinen Ärzten: Um mich vor der Chemo zu drücken, hatte ich ursprünglich mit dem Gedanken gespielt, mir beide Brüste abnehmen zu lassen, die gesunde Brust zur Sicherheit gleich mit«, bekennt Karin Mohr.

»Die verschiedenen Therapiemöglichkeiten erst mal zu hinterfragen, war trotzdem richtig. Schließlich ist es mein Körper und meine Krankheit – und ich bin es, die mit den Folgen der Behandlung klarkommen muss.«

Ihren Spielraum hat sie erkannt und genutzt, als sie die Chemo- therapie statt stationär lieber ambulant in einer gynäkologi- schen Praxis absolvierte. »Die Abstimmung mit dem Brustzent- rum litt darunter nicht. Der dortige Senologe hat geschätzt, dass ich meinen eigenen Kopf habe – und nicht der Typ bin, ihn in den Sand zu stecken«, sagt Karin Mohr selbstbewusst. Auch wenn sie durch ihre Krankheit als chronisch krank gilt und mit der Ungewissheit zu leben hat, ob der Krebs irgendwann wiederkehrt, hat sie es dank ihres Naturells geschafft, sich vom Krebs nicht unterkriegen zu lassen und nach der Diagnose bewusster und intensiver zu leben als vorher: »Für mich geht das Ganze gut aus, da bin ich mir absolut sicher.«

ZUM WEITERLESEN

»Früherkennung von Brustkrebs. Eine Entscheidungshilfe für Frauen«, hrsg. von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Patientenleitlinien/Patientenleitlinie_Brustkrebs_Frueherkennung.pdf

»Brustkrebs. Eine Leitlinie für Patienten«, hrsg. von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/

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