Kein Ersatz, aber ein wertvoller Zusatz

Lebensart-Interview mit Prof. Dr. med. Josef Beuth, Experte für naturheilkundliche Krebstherapie, Gründer und Leiter des Instituts zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren an der Universität zu Köln (www.iwenv.de)

Kann die Naturmedizin Brustkrebs heilen?

Professor Beuth: Klipp und klar nein! Wer das behauptet und daraus gar ableitet, Krebskranke ausschließlich mit Naturheilverfahren behandeln zu können, entlarvt sich als Scharlatan. Naturheilverfahren sind kein Ersatz für bewährte Krebstherapien wie Operation, Strahlen- oder Chemotherapie, aber ein wertvoller Zusatz. Das gilt z.B. für Sport, gesunde Ernährung, psychoonkologische Unterstützung und für einige wenige medikamentöse Maßnahmen. Für all dies hat sich der Begriff »Komplementärmedizin« eingebürgert. Das trifft die Sache besser als die Bezeichnung »Alternativmedizin«, die suggeriert, man könne auf erprobte Standardtherapien verzichten.

Aber wenn Naturheilverfahren keine Alternative sind, wozu braucht man sie dann überhaupt?

Naturheilverfahren sind imstande, Nebenwirkungen von belas- tenden Chemo- und Strahlentherapien zu mindern oder sogar zu verhindern. Die Lebensqualität bleibt intakt, ein Segen für die Patienten. Wenn nämlich keine die Lebensqualität mindernden Nebenwirkungen auftreten bzw. diese erträglich sind, lassen sich die Standardtherapien optimal dosieren und ohne Unterbrechungen verabreichen. Dies bedeutet eine größere Heilungschance.

Was genau bewirkt denn beispielsweise Sport?

Sport ist ideal, um u. a. das Müdigkeitssyndrom, auch Fatigue- Syndrom genannt, einzudämmen, das sich vor allem während bzw. nach Chemo- und Strahlentherapien einstellt. Es klingt zwar widersinnig, körperlich geschwächten Patienten zu mehr körperlicher Bewegung zu raten. Aber mäßiges, der individuellen Situation angepasstes Training powert nicht aus, sondern verhilft zu neuer Energie.

Auch nach Abschluss der Krebstherapie wirkt Sport wie Medizin. Speziell beim Mammakarzinom ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass körperliche Betätigung ca. 40 Prozent der Rückfälle und Metastasen verhindern kann. Optimal wären mindestens drei Stunden Ausdauersport die Woche, z.B. Wandern, Radfahren und Schwimmen, ergänzt durch Muskeltraining. Nicht zuletzt ist Sport ein Stimmungsaufheller und hilft dabei, Übergewicht abzubauen.

Sollten Krebspatienten denn abspecken? Etwa um den Tumor auszuhungern?

Fettgewebe bildet Östrogen und gibt dies ins Blut ab. Speziell bei Brustkrebs ist das ungünstig, denn das Hormon stimuliert hormonabhängige Krebszellen, sich zu teilen, ist also ein Wachstumsfaktor. Aushungern, wie Sie vermutet haben, kann man den Krebs nicht, weder durch Fasten noch durch Weglassen bestimmter Nahrungsmittel oder durch unverschämt teure Anti-Krebs-Diäten. Was er braucht, holt der Tumor sich aus dem Organismus, unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Ebenso wenig kann man einen Tumor füttern. Normalgewichtige Krebskranke brauchen beim Essen auf nichts zu verzichten, auch nicht auf Milchprodukte oder Süßes, wie oft fälschlich zu lesen ist. Vitaminreiches Obst und Gemüse sollten zum Speiseplan gehören, solange es schmeckt. Eine Chemotherapie verursacht manchmal unangenehme Geschmacksstörungen. Wenn man in dieser Situation gesunde Sachen mit Widerwillen isst, verdirbt man sich womöglich für lange Zeit den Appetit darauf.

Können Vitamine nicht auch für den Krebs »gesund« sein, d. h. ihn gegen die Attacken der Chemotherapie schützen?

Diese Gefahr besteht nur, wenn hochdosierte Vitaminpräparate eingenommen werden, von denen grundsätzlich abzuraten ist. Chemo- und Strahlentherapie beruhen u. a. auf oxidativen Effekten, das heißt, sie bekämpfen die Krebszellen mit freien Sauerstoffradikalen. Hochdosiertes Vitamin C, Vitamin E und andere Antioxidantien sind Radikalfänger, neutralisieren also die Therapie und schützen insofern tatsächlich den Tumor. Nicht zu befürchten ist dies bei bilanzierten Vitamin- und Mineralstoffpräparaten, die lediglich den Tagesbedarf decken. Allerdings benötigen Krebskranke Vitamin- und Spurenelementpräparate nur dann, wenn sie nicht normal essen können.

Brustkrebspatientinnen klagen unter der Behandlung oft über Gelenkschmerzen. Hat die Naturheilkunde auch dagegen etwas anzubieten?

Chemo-, Strahlen- und Antihormontherapie trocknen die Schleimhäute aus. Das betrifft die Augen, den Mund, die Scheide und auch die Gelenke – wo dann die Gelenkschmiere fehlt! An unserem Institut haben wir ein pflanzliches Heilmittel getestet, das diese Nebenwirkung mildern bzw. beseitigen kann. Es enthält einen die Schleimhäute feucht haltenden Extrakt aus Linsen, daneben Selen und pflanzliche Enyzme aus Ananas und Papaya. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass mit einer derartigen Medikation etliche Nebenwirkungen der Krebsstandardtherapien, insbesondere Gelenkbeschwerden und trockene Schleimhäute, deutlich gemildert bzw. behoben werden können.

HIER FINDEN SIE HILFE

Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onko- logie e. V., Kardinal-von-Galen-Ring 19, 48149 Münster, Tel. 0700 – 20 00 66 66, www.dapo-ev.de

LebensWert e. V., Klinik für Innere Medizin der Universität zu Köln, Kerpener Straße 62, 50937 Köln, Tel. 0221 – 4 78-64 78, www.vereinlebenswert.de

ZUM WEITERLESEN

»Komplementäre Behandlungsmethoden bei Krebserkrankungen« von Prof. Dr. med. Josef Beuth, 5., überarbeitete Auflage 2016, 100 Seiten.

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